Vulcano Stromboli Isole Eolie/Sicilia ______________ "Wenn du einen Menschen liebst, dann schenke ihm ein Boot, damit er dich verlassen kann." (aus der Südsee)
wo ist dein stolz? ____________________________
um den preis einer zärtlichkeit vortäuschenden hand im glauben an die warmen worte einer kalten stimme wider besseres wissen verschenkt ...
in der hoffnung der einsamkeit zu entfliehen durch den trügerischen wunsch nach gemeinsamkeit unter heimlichen tränen verschenkt ...
gegeben und aufgegeben unter falschen voraussetzungen als hättest du genug davon - viel zu viel gegeben um wenig zu bekommen
dein stolz ist den falten deiner haut gewichen das leuchten deiner augen ist erloschen dein hunger ist einem üppigen mahl zum opfer gefallen
nur manchmal wenn du dich nachts im bett verweigerst und im park über die jungen pärchen weinst dann bist du ehrlich ... ja - dann bist du ehrlich und schön
overkill _____________________________
schon wieder kommt seine hand unter die decke gekrochen wie ein kaltes klebriges tier
es ist wieder freitag - im fernsehen und im bett: Der Alte
und wieder hält er ihre gänsehaut für erregung - naja das geht vorbei
am samstag kann sie sich beim hausputz abreagieren
dann schläft sie ein und träumt von zärtlichkeit und einem warmen wind auf ihrem körper
und ihn hört sie noch mal schmatzen dann schläft er satt und fett - das ist der krieg auf den matratzen der overkill im bett
endlich gegenwart ______________________
wie du vor meinen augen wächst gegenwart wirst - wo warst du gestern?
habe ich dich nicht sehen können nicht sehen wollen oder gab es dich etwa noch gar nicht?
hast du nicht gesprochen habe ich dich nicht gehört nicht hören wollen oder habe ich vielleicht nicht auf mich gehört?
habe ich dein lachen nicht bemerkt und dein weinen? habe ich es nicht bemerken wollen hinter meinem lachen und meinem weinen?
tot oder lebendig ___________________________
da steht ein schönes reihenhaus der garten grün die blumen bunt der rasen kurz gemäht und die gardinen selbst gehäkelt immer wenn ich nach hause komme gehst du gerade zum einkaufen - das kotzt mich an. wenn ich lust verspüre dann steht meistens ein qualmender topf auf dem herd. meine socken sind gestopft meine hemden gebügelt - du meinst es gut mit mir. verdammt noch mal warum meinst du es nur so gut?
wo ist das schlechte in dir das verderbliche ordinäre wo ist die leidenschaft? wann habe ich dir zuletzt den schweiß von der haut geküßt? vor wieviel hundert jahren? wir haben uns getäuscht und nun sind wir enttäuscht und fürchten uns davor es zuzugeben. ich weiß - alles was ich an dir hasse fordere ich zugleich von dir doch dein blick zahlt es mir täglich heim und ich zahle dir das haushaltsgeld diese kopfprämie - tot oder lebendig!
und du bestrafst mich damit indem du tust was ich verlange bis daß der tod uns scheidet. wir verbergen unsere tränen voreinander und unsere träume - doch wir betrügen uns nicht mal mehr heimlich. autowaschen große wäsche warten auf die zukunft verzichten auf die gegenwart und schmerzen beim orgasmus - in 25 jahren haben wir das haus bezahlt ja - dann haben wir bezahlt.
und dabei haben wir uns einmal geliebt und dabei haben wir uns einmal geliebt - und dabei lieben wir uns immer noch!
angst dich zu vergessen __________________________________
ich habe schon lange nichts mehr von dir gehört - wo du bist wie es dir geht - was ist geschehen?
haben die großen tiere der dunkelheit vor denen du dich immer gefürchtet hast dich gefressen?
oder war es die liebe die deinen körper verzehrt hat oder die sehnsucht die dich endlich hinausgetrieben hat?
ist es nur der horizont der uns trennt oder ist es vielleicht doch die nähe?
ich habe schon lange nichts mehr von dir gehört und ich habe angst dich zu vergessen
die letzte nacht _________________________
noch einmal deine zärtlichkeit - jetzt endlich ohne vorbehalt im licht des abnehmenden mondes
noch einmal dieses rätselhafte leuchten auf deiner haut - dein heißer atem vor einer kalten dunkelheit
die letzte nacht ist ehrlicher als die erste
die tränen teilen ____________________________________
in dieser nacht sind alle rosen schwarz und alle worte leise - verletzlich und verletzend
wir überlegen lange was wir nicht sagen und quälen uns mit unüberlegtem
unsere körper trösten uns über lügen hinweg - wir haben uns verloren obwohl wir uns niemals besessen haben
wenn es schon keine gemeinsamkeit gibt - lass uns in dieser nacht wenigstens die tränen teilen
(Lago di Garda)
alles hat seinen preis ______________________________________
der mann ist aus dem haus sein kuß war flüchtig die kinder trödeln viel zu lange der mann im radio spricht von weißen kragen der einkaufszettel hängt drohend an der pinwand das haushaltsgeld lauert in der zuckerdose - auch das glück hat seinen preis.
und irgendwo in ihr steckt noch ein junges mädchen das noch träume hat und sich noch fürchtet wenn`s an der haustüre klingelt weil kein prinz sie holen kommt sondern jemand staubsauger verkaufen will. der tag wird wieder lang sie schrubbt das deck des sinkenden schiffes - auch sicherheit hat seinen preis.
und irgendwo in ihr steckt noch ein junges mädchen das sich getäuscht hat und noch immer auf das leben wartet das daran glaubt daß es da noch was anderes gibt. die kinder kommen von der schule wo sie für das leben lernen vielleicht wird es ihnen was nützen - denn auch das leben fordert seinen preis.
am abend kommt der mann nach hause sein kuss ist flüchtig das essen steht schon auf dem tisch. er ist erschöpft erzählt von geschäften sie bringt die kinder noch ins bett und irgendwo in ihr steckt noch das junge mädchen das seinen rucksack nimmt und hinter dem die tür ins schloß fällt - auch die freiheit hat einen hohen preis.
(aus: Der Teig geht und ich muss bleiben)
an der Adria (Link: bei Paestum)Italia
spuren
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es bleibt ein leerer raum zurück der nicht mehr wärmt der plötzlich groß und dunkel wird in dem ich mich verliere
ich suche nach spuren von dir und finde nur meine eigenen
hast du keine spuren hinterlassen oder habe ich sie alle längst zertreten?
leere
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da ist doch irgendwo noch was von dir - ein letztes wort ein lachen - da schwebt doch noch ein atemzug von dir zwischen diesen wänden
da greife ich manchmal noch ins leere auf der suche nach deinen händen
letzte zigarette ______________________________
lass uns noch eine letzte zigarette rauchen bevor der henker kommt mit seinem trennungsbeil seinem alltäglichkeitsbeil - lass uns diesen gemeinsamen schrecklich schmerzlosen tod noch etwas hinauszögern
wir könnten uns noch etwas sagen was wir uns bisher verschwiegen haben weil uns die nähe daran gehindert hat - doch jetzt wo wir bereits auf dem trittbrett stehen jetzt wo wir am verlieren sind könnten wir noch etwas gewinnen
lass uns dem tod ein schnippchen schlagen - ein schnippchen ... du weißt nicht was das ist? ach ja ich habe vergessen du bist ja manchmal so unerhört vernünftig - warum greifst du nicht auch einmal nach einem strohhalm oder einer letzten zigarette?
wenigstens versucht ____________________________
du hast von mir das glück erwartet, ich habe nie begriffen, was du darunter verstanden hast.
ich habe dir und mir was vorgespielt, aber ich bin ein schlechter spieler, doch ein guter verlierer.
ich habe dich getäuscht, mit meiner rätselhaftigkeit, denn es war nur unsicherheit. was du für stärke hielst, war angst - nur mein schweigen war echt, doch das hast du nicht verstanden.
wer heute von der wahrheit spricht, der lügt und der mit dem ehrlichsten gesicht betrügt.
und so bin ich immer alleine geblieben an deiner seite, doch ich habe es nie bemerkt.
und du bist immer alleine geblieben an meiner seite, aber wir haben es wenigstens versucht.
ich habe mich getäuscht, mit deiner rätselhaftigkeit, denn es war nur unsicherheit. und was ich für stärke hielt, war angst - nur dein schweigen war echt, doch das habe ich nie verstanden.
wer heute von der wahrheit spricht, der lügt und der mit dem ehrlichsten gesicht betrügt.
traurigkeit ____________________
ich habe die welt der zweisamkeit mit der welt der einsamkeit vertauscht und festgestellt:
es ist die gleiche welt geblieben - das ist der grund meiner traurigkeit
die lüge
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einmal wirst du dein fenster öffnen, hinausgreifen in den herbst und die feuchte luft spüren und den kalten atem.
jemand, den du liebst, wird sagen: mache das fenster zu, es wird kalt. du wirst inne halten und merken, wie es langsam kalt wird.
zuerst an den händen, dann an den armen, dann der körper...
und du wirst den herbst greifen, den regen, den nebel, den frost, ihn zu dir hereinziehen und jemand, die dich liebt, wird fragen: wer ist da gekommen?
du wirst antworten, dass du es nicht weißt, denn im herbst, der feuchten jahreszeit, wird die lüge geboren.
und auf einmal wird die zeit so eng, und du spürst die mauer schon im rücken. jemand reicht dir die rote laterne und das schweigen droht dich zu erdrücken.
fliegen _____________________________
sollt ich das fliegen mal erfinden mach ich es dir zum geschenk hoch über uns da heilen deine wunden - doch bis ich in meiner mittelmäßigkeit nur einen zentimeter schwebe hast du das fliegen längst erfunden
und bist du erst hoch über allem schlechten schau ich dir nach und wäre gerne einfach so mit dir davongeschwebt - doch meine angst drückt mich zu boden und kann ich auch nicht mit dir fliegen so hab ich wenigstens mit dir gelebt
(für sabine)
ferne _________________________
das fernesein von dir die umklammerung der leere die tatenlosigkeit bei all meinen unternehmungen die sinnlosigkeit der einzigartigkeit
das verhinderte bedürfnis nach verständnis nach raum für meine worte die verkümmerten ideen und die nicht erzählten nicht erinnerten träume
das zweifelhafte überleben des eigenen vernichtungstriebes der schrei ohne echo und die erinnerung - diese gottverdammte erinnerung diese quälende gnadenlose tötende erinnerung
ich schwöre...
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ich würde dir gerne sagen, ich habe mich in dich verliebt. ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, ich bin ganz einfach froh, daß es dich gibt.
daß ich dich sehe, dich höre, ich liebe deine nähe und ich schwöre...
warum bist du auf einmal so still? wenn du mich jetzt ansiehst, dann spüre ich, daß du weißt, was ich jetzt schwören will.
und ich lese die bitte auf deinem gesicht, vielleicht schwöre ich besser doch nicht.
die
zeit und du, ich
sehe ihr beide habt euch nun versöhnt, habt
eingesehen was
nicht zu ändern ist, habt
euch fast schon aneinander gewöhnt.
die
zeit und du, ich
weiß, ihr habt euch noch nie gemocht, denn
du verlebst sie und sie verlebt dich. und
während ich darüber nachdenke, wer
wohl siegen wird, da
verlebt die zeit auch mich.
die
zeit und du, ich
weiß, ihr habt euch noch nie gemocht und
euch jahrelang heftig bekämpft. und
ich habe dir vergebens geholfen, früher
sehr lautstark, doch
inzwischen ist meine stimme gedämpft.
die
zeit und du,
ich
weiß, ihr habt euch noch nie gemocht und
euch beide von mir entfernt. dich
zu vergessen fiel mir schwer und
obwohl ich sie hasse, habe ich es doch mit der zeit gelernt.
_____________________________________________________________________ Die Texte: "die letzte nacht - spuren - leere - traurigkeit - fliegen" sind aus dem Gedichtszyklus: "zwei sich voneinander entfernende ufer " siehe auch: Texte aus Stuttgart
"Freunde, das ist alles was ich begehre - es ist fast nichts und doch fast alles." Pablo Neruda