da sitze ich nun wieder in der kleinen kneipeund das meer und der wirt sind immer noch die selben - und der abend kommt wie immer von den bergen ein paar alte sitzen da und reden ein paar kinder spielen noch und der alte lkw steht auch noch dort - die kleinen boote schaukeln leise ein paar katzen suchen nach vergessenen fischen und in der ferne tuckert irgendwo ein motor - und ich hole ganz tief luft leg mich in meinem stuhl zurück schließe kurz die augen und hole ganz tief luft
doch hinter meinem stuhl steht schon ein bagger und wartet nur darauf dass ich mich erhebe - doch ich halte mich an meinem glas fest und ich bleibe - nein ich geh nicht - nein ich bleibe vielleicht liegt ja alles nur an mir? und der mond steht schon am himmel und ich seh die erste fledermaus oder ist das etwa schon die letzte? fledermäuse leben nur in alten mauern und niemals in neuen hotels - meine lippen schmecken salzig doch das ist wohl nur die seeluft das muß die seeluft sein oder sind das tränen?
denn hinter meinem stuhlsteht schon ein bagger und wartet nur darauf dass ich mich erhebe doch ich halte michan meinem glas fest und ich bleibe - ja ich bleibe -aber unter meinen füßen asphaltieren sie das meer -
bringt euere netze schnell noch heim heut habt ihr darin noch fische morgen sind es nur noch erinnerungen - dann schließt der wirt die kneipe ab und der letzte macht das licht aus und ein letztes lächeln gelingt dann nur noch im rausch - dann geh auch ich ganz langsam heim mit meinem vollen netz
und über meinen stuhl rollen dann die bagger die kinder und die katzen fliehen und die alten männer sind schon lange nicht mehr da - die kleinen boote werden immer größer und das meer wird immer kleiner - wer reicher wird wird manchmal ärmer und dornröschen erwacht - wachgeküßt von vielen tausend falschen prinzen trauert es den schönen träumen nach
da ist niemand, der mir sagt, komm lass uns mal dort hin gehen oder lass uns in den schatten setzen, ich bin müde, oder hilfst du mir mal gerade eben... da ist auch keiner, den ich mal um hilfe bitten kann und zu dem ich sagen kann, du schau mal dort, wie schön...
ich kann machen was ich will, ich kann lassen was ich will, auch wenn ich es gar nicht will...
niemand teilt das brot mit mir, trinkt ein schluck von meinem bier, oder paßt auf meine tasche auf, wenn ich mal zur toilette muss. keiner der mir gute nacht sagt oder morgens fragt: hast du gut geschlafen, komm erzähl mir deinen traum. keine freude ist zu teilen und kein leid - und weil niemand auf mich wartet, hab ich unendlich viel zeit.
ich kann machen was ich will, ich kann lassen was ich will, auch wenn ich es gar nicht will...
freiheit ist ein seltsam ding, alleine sein ist sie aber nicht. auch im schweigen liegt sie nicht, nicht in einem fremden land, manchmal liegt sie nicht einmal in deiner eigenen hand. jemand, der mir freiheit gibt wenn ich sie brauche und mich nicht darum kämpfen lässt, für den verzichte ich gerne darauf.
ich kann machen was ich will, ich kann lassen was ich will, auch wenn ich es gar nicht will...
(Fotos aus der Türkei, Sizilien, Link: Olymp/Griechenland)
laß die nacht kommen das geschrei der kinder das letzte licht vertreiben - die fliegenden mäuse kommen aus ihren höhlen die ersten hunde bellen den noch nicht vorhandenen mond an
laß die nacht kommen über die grünen hügel olympias und die abfallberge der zivilisation - die fünf-städte-tour macht pause vier reutlinger einen kameradschaftsabend
laß die nacht kommen über die alten säulen und die jungen leute vor den discotheken - die zelte sind errichtet man wird empfänglich für folklore - unter neonlampen abseits sitzen motten und einsame alte griechen
laß die nacht kommen über die jungen motorradathleten und ihre fleischlichen siegesprämien vergessene strohhüte hängen an den wänden und warten auf kahle leere köpfe - alte frauen denkenan ihr tagwerk und würden gerne auf treppen sitzen
laß die nacht kommen über delphi und olympia sie sind die narben auf der griechischen haut - das ferne licht am horizont ist nicht der mond sondern ein zug der aus einem tunnel kommt - eine große traurigkeit tarnt sich mit blühendem oleander und hibiscussträuchern nur in den silbergrauen olivenbäumen liegt noch etwas von der wahrheit dieses landes
laß die nacht kommen und den wein und die liebe für die menschen die erde für dich - betrunken wollen wir überleben berauscht von unserer naiven freude über die schönheit
ein zeitloses wesen schon früh ergraut mit jugendlichen augen unzufrieden mit tausendfachem nachwuchs und mit etwas angst nun doch noch zu sterben
der große eiserne turm mit den legenden von den todessprüngen und den aussichtslosen unter den seinebrücken dem glanz und der pracht zurückliegender zeiten und der zementierten zukunft
auf montmartre wird deine seele sichtbar und teuer verkauft du wirst ersticken in wolchen aus parfüm und benzin
wenn ich dich auch nicht lieben kann so habe ich wenigstens verständnis
zwischen deinen mauern leben sie die eroberer und gestrandeten ein wenig von deinem verblichenen glanz haben sie sich in ihren augen bewahrt
sie stehen vor einem großen tor zur welt und träumen davon es einmal wieder zu öffnen ihren entdeckern haben sie denkmale gebaut doch heute gibt es nichts mehr zu entdecken
so seid ihr fundamt und casino kirche und kneipe und alles mehr schlecht als recht
nachts kamen wir in tanger an die lichter waren kolonien von funken eines leuchtfeuers an der nordküste afrikas die schlaglöcher im asphalt waren die fußabdrücke der dunklen riesen
als es tag wurde war der himmel die decke eines schlecht gelüfteten zimmers weiß gekalkt und etwas brüchig ein großer ventilator drehte sich langsam und schnitt die zeit in scheiben
im hafen wurden sie angeschwemmt die träumenden aus den bergen die ernüchterten aus übersee die schwitzenden touristen das nichtstun war die legalisierte möglichkeit keine fehler zu machen
nachts sollten wir auch wieder gehen und alles zurücklassen was da bunt und fremd ist die dunkelheit ist unser freund und wir sollten sie suchen zwischen den grünen teppichen die man über die hügel gerollt hat
wenn wir den neuen tag begrüßen sollten wir das weite land sehen das weite land und das meer
auf der piazza die giusto wird die geteilte zeit vereint - die mädchen bewegen sich zwischen spiel und koketterie die buben fangen an sie heimlich zu beobachten und wenn sie älter sind schwanken sie zwischen kraft und ersten gefühlen
die frauen reden und stricken und beobachten die kleinen die männer trinken und spielen boccia die alten sitzen schweigend da und schauen
jeder sieht hier was auf ihn zukommt und was er hinter sich hat - die jungen belächeln die alten wegen ihrer lethargie und die alten belächeln die jungen wegen ihres übermutes
aber sie geben sich gegenseitig die kraft hier zu sitzen hier zu leben ... auf der piazza die giusto wird die geteilte zeit vereint
(Venezia)
moos auf den steinen ____________________
hohe mauern teilen den himmel in blickwinkel und standpunkte
aus kleinen löchern zwischen brüchigen steinen weht vergeblich der hauch der vergangenheit
die macht und die größe schauen herunter auf die ohnmacht und den größenwahn
mit der hand am chiantiglas und der stirn auf moosigen steinen läßt sich sogar die zukunft ertragen
ponte vecchio _____________________
die vergoldeten und verlorenen träume - von millionen füßen zertretene vergangenheit
im nebel verschwunden in der sonne erwacht - gestorben und auferstanden für kitsch und kunst und trauer
nur manchmal nachts spiegelt sich im trüben wasser des arno etwas anderes als das was wir sehen
macht der vergangenheit __________________________
hoch über der stadt hängt ein unsichtbarer mond hinter der sonne -
mühsam ist der weg ans licht und von der vergangenheit in die zukunft
die macht und die herrlichkeit sind auf der strecke geblieben -
nur die augen wenn ihre blicke auf der sterbenen tochter im dunst der jetzt-zeit liegen verraten noch etwas von dem stolz -
oder ist es vielleicht nur ein unwissendes lächeln
ich weiß nichts von dir und du nichts von mir es zählt nur das jetzt und nichts anderes gilt - das feuer am krater der rotwein in der asche tausende sterne und du und ich.
die nacht auf stromboli endlich ohne morgen es gibt kein erwachen alles endet in einem unendlichen schlaf - keine fragen keine zukunft und keine geschichte nur ein unendliches jetzt.
und ich weiß nichts von dir doch wozu auch du bist bei mir in diesem moment - und du weißt nichts von mir doch wozu auch ich bin bei dir in diesem moment.
sind es hundert jahre oder tausend - wenn ein vulkan schläft oder erwacht bedeutet das nichts mehr.
diese nacht auf stromboli ist unsere erfüllung oder bleibt unser rätsel denn all unser wissen nützt nicht mehr sehr viel - ob wir überleben oder untergehen ertrinken oder verbrennen ist nur ein teil von diesem spiel.
ob wir es begreifen oder bestaunen zählt jetzt nichts mehr - fragen sind zwecklos jetzt heißt es leben oder sterben oder beides - nur dabei sein müssen wir.
wir wissen nichts von einander und werden es nie wissen doch wir halten uns fest und nur das alleine zählt - wir halten uns fest weil nur das alleine zählt.
(1992)
Zweite Strophe:
komm in meine Arme
halte mich fest und ich halte dich
fest und laß uns leben bis die sonne
untergeht.
alle hundert jahre
bricht ein vulkan
aus und heute...
und heute
ist es wieder so
weit.
wir fliegen gen
himmel oder versinken in
der hölle -
was spielt das für
eine rolle der weg ist das
ziel.
wir sind für immer
zusammen und kein gerede und keine intrigen können uns trennen.
wir schweben
darüber oder tauchen
darunter - was sind schon
hundert jahre
gegen diesen
moment?
Dritte Strophe:
sie war nur eine urlaubsbekanntschaft und sie wurde eine urlaubsliebe und sie endete
wie der urlaub - denn sie war
das glück und sie war
der tod.
und er war
der bote
der brachte
was sie suchte - und sie suchte
das glück doch sie fand
den tod.
und sie liebten
die tage
und die nächte und das leben - die sonne
und die sterne über stromboli - und sie suchten
die ewigkeit doch sie fanden
den tod.
der himmel ist zerrissen, über dem meer ist der horizont eine mit dem messer gezogene linie. die grünen berghänge färben sich langsam weiß, bevor sie in einer mischung aus rauch und wolken ihre konturen verlieren. der gipfel läßt sich nur erahnen.
hinter diesen drohenden wolken lauert ein lebewesen, gigantisch groß, unbegreiflich und gefährlich. ich bin nur ein kleines nichts zu seinen füßen und habe ihm nichts entgegenzusetzen, außer meiner ehrfurcht und bewunderung.
ich spüre aber, wie er mich beobachtet und wartet. er weiß, daß ich zurückgekommen bin. seit meiner ersten begegnung mit ihm, als er gerade schlief, aber doch mit einem auge blinzelte, komme ich nicht mehr frei von ihm. inzwischen ist er erwacht und ich bin wieder hier. sein rufen hat mich erreicht! dies ist nur eine sache zwischen dem ätna und mir und nur wir beide können sie zu ende bringen.
er ist ein großes leben und tod spendendes wesen, verkörpert anfang und ende der menschheit und mein aufenthalt auf erden ist nicht mehr, als ein kurzes glühendes fauchen in seiner zeitrechnung. ich bin ihm nicht gewachsen und muß das schmerzlich, doch auch zufrieden einsehen.
solange ich noch die kraft habe hier her zu kommen um hier in seiner allzeit spürbaren und besitzergreifenden nähe einen hauch der vergangenheit und der ewigkeit zu erfahren, solange bin ich noch nicht verloren.
ich habe auch diesmal seinen gipfel nicht erreichen können und ich fühle, daß dies der einzige berg ist, den ich nicht bezwingen will. da ist eine macht, die ich nicht herausfordern darf, denn entweder tötet sie mich oder ich meine faszination. beides wäre gleich schlimm. (1992)
Volcano Etna - der höchste der Gipfelkrater
(1 Jahr später, Sept.1993, habe ich mit Hans den Gipfel mit ca. 3350 m bestiegen und am Kraterrand gesessen, später noch mehrmals. Die Besteigungen des Ätna sind alpinistisch nicht schwer, jedoch sehr langwierig, wetterabhängig und im oberen Teil auch von der Aktivität abhängig. Übrigens ist meine Faszination nicht gestorben, wie in dem Gedicht angedeutet, sondern wie mein Respekt eher gewachsen.) (Fotos: Ätna-Gipfel und Eisenbahn rund um den Ätna: "Circumetnea")
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Atacama/Chile
"Jahrelang war ich unterwegs, um das Wort "Schönheit" zu begreifen und dann brauchte ich dich nur anzusehen."
Es existiert noch eine alte, nicht überarbeitete Homepage mit Fotos von meinen Chile-Reisen. Hier können sie die Bilder anschauen. (Klick auf Foto Salar de Atacama)